Geothermie
Mobile Anlage baut Pumpen ein und aus
Die speziellen Herausforderungen der Geothermie erforderten innovative Lösungen bei der Maschinentechnik, um Arbeitssicherheit und Effizienz zu verbessern. Fällt eine Förderpumpe eines Geothermiekraftwerks aus, muss diese zusammen mit den Förderrohren aus dem Bohrloch ausgebaut und an die Oberfläche befördert werden. Ingenieure und Ingenieurinnen der Firma MAX STREICHER haben in Kooperation mit den Stadtwerken München (SWM) eine mobile Workover-Anlage entwickelt und gebaut. Damit lassen sich Förderrohre schnell und sicher aus- als auch einbauen.
Mineralische Ablagerungen stören den Betrieb
Im Münchner Raum betreiben die SWM aktuell fünf Geothermiekraftwerke zur Strom- bzw. Wärmegewinnung. Deren technisches Herzstück ist die sogenannte ESP-Pumpe (Electrical Submersible Pump), diese pumpt das rund 100 Grad Celsius heiße Thermalwasser aus dem Untergrund. Aufgrund einer besonderen Kombination aus Temperatur, Druck, pH-Wert und Salinität im Thermalwasser kommt es in der Region München zum so genannten Scaling. Ähnlich wie Kalk im Wasserkocher setzen sich mineralische Anlagerungen in der Pumpe fest. Diese führen immer wieder zu einem plötzlichen Ausfall der Pumpe und somit zum Stillstand einer Anlage.
Betriebsausfälle der Geothermiekraftwerke sind sehr kostspielig und so ist ein schneller Pumpenwechsel erforderlich. Doch dafür müssen aus dem Bohrloch zunächst rund 800 Meter Förderrohre, die darunter befindliche ESP-Pumpe und die daran hängenden Motoren ausgebaut und nach Austausch der Pumpe wieder eingebaut werden. Bei diesem Prozess setzten die SWM bisher jeweils bis zu drei Teleskopkräne und relativ viel Personal im Gefahrenbereich ein. Die meisten Tätigkeiten erfordern manuelle Arbeiten. Standard-Workover-Anlagen aus dem Erdölbereich sind vorhanden, allerdings nicht direkt verfügbar.
Um diese Situation zu verbessern, suchten die SWM nach einem effizienteren, schnelleren, sicheren und wirtschaftlicheren Verfahren, das auf die speziellen Bedürfnisse der Geothermie zugeschnitten ist.
Sicherer und schneller Pumpenwechsel für die Tiefengeothermie
Die Ingenieurinnen und Ingenieure im Forschungsvorhaben EBIMA hatten das Ziel eine Anlage, die einen sicheren und zügigen Wechsel vonTiefpumpen zur Förderung von Thermalwasser an Standorten der Tiefen Geothermie zu entwickeln und zu erproben.
Eine gute Mobilität der Workover-Anlage für Geothermieprojekte ist eines der Hauptanliegen, um kurze Reaktions- und Aufbauzeiten zu gewährleisten. Außerdem ist ein hoher Automatisierungsgrad erforderlich, um effizient und vor allem sicher die Unterwasserpumpen und Förderrohre aus- als auch wieder einzubauen.
Das Besondere an Workover-Arbeiten in der Tiefengeothermie ist die Kombination aus relativ geringer Hakenlast im Vergleich zu der Baugröße der Pumpenkomponenten und Förderrohren. Diese ungewöhnliche Kombination ergibt sich durch die hohen Volumenströme und der entsprechend großen Baugröße der ESP-Pumpen, welche in der Geothermie benötigt werden. Hinzu kommt die relativ geringe Absetztiefe dieser Pumpen von circa 800 – 1000 Meter.
Daraus ergab sich die Herausforderung, eine sogleich mobile als auch leichte Workover-Anlage zu konzipieren, welche große beziehungsweise schwere Förderstrangkomponenten handhaben kann.
Mobile Anlage für den Pumpenwechsel
Die Ingenieurinnen und Ingenieure entwickelten einen Bohrmast, bestehend aus einem klappbaren Zahnstangenmast. In einem Stück wäre der Bohrmast für den Transport zu lang gewesen wäre. Die gesamte Anlage montierte das Projektteam auf einem speziellen Sattelauflieger, der auch über Straßen und Kreisverkehre beispielsweise im Stadtgebiet von München fahren kann. Hierfür sorgen die vier Lenkachsen des Fahrzeugs.
Ein autonomes Förderrohr-Zuführsystem nimmt jedes einzelne der bis zu 14 Meter langen Förderrohre aus der horizontalen Position auf und bringt das Rohr in eine vertikale Stellung in den Mast. Dort erfolgt die automatische Übergabe an den Hubschlitten, der das Rohr in das Bohrloch absenkt.
Auf deutschen Straßen kann die kompakte und sehr leichte Anlage ohne aufwendiges Genehmigungsverfahren transportiert werden und ist schnell von einem Einsatzort zum nächsten zu transportieren. Anschließend beträgt die Aufbauzeit vor Ort lediglich 6 Stunden. Durch diese schnelle Einsatzbereitschaft ist es möglich, die Ausfallzeit des Geothermiekraftwerks zu reduzieren.
Erster Probebetrieb im Geothermiekraftwerk Dürrnhaar
Die Workover-Anlage EBIMA absolvierte Ende 2018 erfolgreich den Probebetrieb im Geothermiekraftwerk Dürrnhaar. Dort wurde über die Weihnachtsfeiertage ein defekter Pumpenstrang ausgebaut und eine neue Pumpe wieder eingesetzt. Die benötigte Zeit für den Aus- und Einbau unterschritt die gesetzten Zielwerte.
Praxistransfer
Die Workover-Anlage EBIMA ist aktuell beim Verbundpartner SWM bei allen anstehenden Pumpenwechseln im Einsatz. Mit Hilfe der gewonnenen Erfahrungen aus den ersten Praxiseinsätzen arbeiten die Projektteams daran, die Anlage zu optimieren und an die örtlichen Gegebenheiten weiterer Geothermiestandorte anzupassen.
Letzte Aktualisierung: 09.07.2019